Aus der Reihe tanzen 29. Oktober 2025

Stimmen von Aktionskünstlerinnen aus der DDR

Performance- und Aktionskunst lebt vom Augenblick. Sie geschieht im Moment, unmittelbar mit dem Körper und entzieht sich damit klassischer Sammlungs- und Ausstellungspraxis im Museum. In der DDR war diese Kunstform ein Mittel, um Freiräume zu schaffen und künstlerische Konventionen infrage zu stellen.

Die Ausstellung Aus der Reihe tanzen. Aktionskünstlerinnen in der DDR, kuratiert von Linda Alpermann, Sarah Felix, Jan-Markus Göttsch und Ramona Stauner, widmete sich prägenden Künstlerinnen der Erfurter und Dresdner Szene. Gezeigt wurden Fotografien, Filme, Kostüme und andere Relikte – Fragmente, die von flüchtigen Aktionen erzählen und Einblicke in eine Kunstpraxis geben, die nie fürs Museum gemacht wurde.

ddr kunst museum skd

Damit die Stimmen der ausgestellten Künstlerinnen in der Ausstellung, aber auch über die Ausstellungslaufzeit hinaus, hörbar bleiben, haben wir Video-Interviews mit den Beteiligten geführt. Die Protagonistinnen berichteten von ihrem künstlerischen Selbstverständnis, von ihren Strategien im Spannungsfeld von Kontrolle und Subkultur und von der Resonanz ihrer Arbeiten bis heute. 

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Die Künstlerinnengruppe Erfurt

Seit den frühen 1980er Jahren entwickelten Gabriele Stötzer, Monika Andres und Verena Kyselka in Erfurt als Teil einer größeren – teilweise bis zu 17 Mitglieder umfassenden – Frauengruppe Filme, Modenschauen und kollektive Aktionen. Ihre Arbeiten verhandelten Körper, Identität und weibliche Selbstbestimmung – Themen, für deren freie Aushandlung es im Alltagsleben der DDR keinen Raum gab. Im Gruppeninterview erzählen sie von der Entstehung und Dynamik der Gruppe, von Freundschaft und künstlerischer Solidarität sowie von der besonderen Rolle von Frauen in der DDR-Kunstszene.

Gabriele Stötzer

Als Autorin, Fotografin und Performerin verband Gabriele Stötzer verschiedene Medien zu einem vielschichtigen Werk. Ihre Aktionen thematisierten den weiblichen Körper als Medium der Selbstermächtigung und des Widerstands. Im Interview spricht sie über künstlerische Strategien im Untergrund, über ihre Erfahrungen mit staatlicher Repression und über die Bedeutung von Netzwerken für ihr Schaffen.

Monika Andres

In den Arbeiten von Monika Andres spielten Modeobjekte aus Alltags- und Arbeitsmaterialien eine zentrale Rolle. Mit verschiedensten Stoffen, Farben und symbolischen Gesten schuf sie kraftvolle Auftritte und Körperbilder. Im Interview berichtet sie, wie sie zu den Materialien für ihre Modeobjekte kam und wie sie den Schreibstil der DDR-Zeitungen wahrnahm.

Verena Kyselka

Verena Kyselka integrierte Medienreferenzen, wie etwa Fernsehantennen und musikalische Elemente in ihre Performances. Sie interessierte sich für Grenzüberschreitungen zwischen den Kunstformen und für das Sichtbarmachen von gesellschaftlichen Normen. Im Interview reflektiert sie die Entstehung der Band EOG – Erweiterter Orgasmus – und ihre Position als Autodidaktin in der DDR sowie ihr Studium nach der Wende.

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Else Gabriel 

Else Gabriel wurde als Mitbegründerin der Dresdner Gruppe der Autoperforationsartisten zusammen mit ihren Kommilitonen Micha Brendel und Via Lewandowsky durch radikale Körpergesten, Materialexperimente und ironische Brechungen zu einer der einflussreichsten Stimmen in der Performance-Kunst der DDR. Else Gabriel berichtet im Interview von der Entstehung der Gruppe, von den Grenzerfahrungen ihrer künstlerischen Praxis und von der Bedeutung dieser Arbeiten aus heutiger Sicht.

Hanne Wandtke 

Die Tänzerin und Choreografin Hanne Wandtke war assoziiertes Mitglied der Autoperforationsartisten und ist in der Ausstellung Aus der Reihe tanzen mit ihrem DDR-Müllkostüm vertreten. Das Kostüm entwarf Wandtke für die legendäre Aktion Spitze des Fleischbergs, die während des Hochschulfaschings 1986 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden stattfand. Durch ihre choreografische Praxis und ihr Interesse an körperlichen, improvisatorischen Ausdrucksformen hatte Wandtke wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Autoperforationsartisten.

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Christine Schlegel 

In Zusammenarbeit mit der Tänzerin Fine Kwiatkowski entwickelte die Dresdner Malerin Christine Schlegel performative Aktionen, die Film, Malerei, Tanz und Musik verbanden. Schlegels Arbeiten stellten den Körper ins Zentrum und loteten Spannungen zwischen Dynamik und Stillstand aus. Im Interview erinnert sie sich an die gemeinsame Praxis mit Fine Kwiatkowski, die künstlerischen Freiräume und deren Einschränkungen in der DDR und erzählt außerdem von der Fortwirkung ihrer Kunst bis heute.

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