ZWILLINGSZWINGER
„Und dann wurde klammheimlich der Zwinger verkaupelt"
1 Überschrift eines Leserbriefes in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 20.04.1993→ Aus transkribierten Aufzeichnungen einer reisenden Identität in einer nicht näher bezeichneten Zukunft: Wir hatte bereits viel zu jenem Ort aufgezeichnet, zu jenem Gebäude unbekannter Funktion, welches einzig noch von der Existenz der ursprünglich wohl prächtigen urbanen Agglomeration zeugt. Die schwüle Hitze beeinträchtigt das Fortbewegen. Der Aufenthalt ist selbst in diesen Landstrichen deutlich erschwert. Heftige Regenfälle sind keine Seltenheit, und der Blick auf die umgebenen saftig-grünen Reisfelder ein unerwartet beruhigender Sinneseindruck. [scan report] Gestreckte Langgalerie mit imposanter, mittig angeordneter, turmähnlichen Durchgangsstruktur. Abschluss = zwiebelartiges Gebilde reich an prunkvoll vergoldet erscheinendem Dekor auf schwarzem Grund. An den Kurzausläufern zwei palastähnliche Strukturen mit Sandstein-imitierenden humanoiden Figuren entlang des Dachsims. U-förmiger Grundriss umschließt Anpflanzungen in schwer zu entziffernden Formationen. [analytics] Wie mag es hier früher ausgesehen haben? Und welche der anwesenden Entitäten hat sich des Fortbestehens dieser artifiziellen Anpflanzungen annehmen können? Vermochte diese schneidende Präzision auszuhalten? Versuchen uns, alte Stiche ins Hippocampus-Implant aufzurufen: Ein Gebäudeviereck umringt von einem Ensemble aus kompaktem Bühnenhaus, einem zum Himmel aufstrebenden Gebäude, welches zu religiösen Zwecken verwendet worden sein muss (zentrifugales Streben in den Kosmos), [deleted]. Dann exzessiver Klimawandel (Plur.), Überschwemmungen, Brände, umfassende Bevölkerungswanderungen. Nun wieder vielfältige Organismuspopulationen anwesend [end of recording].
2019 komme ich mit einem niederländischen Stipendium für eine dreimonatige Künstlerresidenz nach Arita, und damit ins Porzellanzentrum Japans, welches sich auf der südlichen Insel Kushu befindet. 2 Das Arita Creative Residency Programm wurde 2016 anläßlich des 400jährigen Jubiläums der Porzellanherstellung in Japan und jenes der Aufnahme Japanisch-Niederländischer Handelsbeziehungen ins Leben gerufen. Aus diesem Grund ist es die Niederländische Botschaft in Tokyo die zusammen mit der Saga Prefecture ein Creative Industries Agreement abschliesst und damit den Grundstock für das Residenzprogramm legt, welches nun durch die zwei wichtigsten Kunst- und Kulturfonds der Niederlande mitfinanziert wird. “Creative Residency Arita.” Abgerufen am 13. November 2023. https://cri-arita.com/about. / https://dutchreview.com/. “Van Hier Tot Tokio: A History of Dutch-Japanese Relations | DutchReview,” Abgerufen am 13. November, 2023. https://dutchreview.com/culture/dutch-japanese-relations/. Vor der Abreise kamen mir bei meiner Online-Recherche bereits Bilder des Zwingers unter, die etwas merkwürdig erschienen, doch ich dachte mir nichts weiter dabei. In Arita angekommen, befinde ich mich dann an einem der Einführungstage im Zwinger von Arita, oder im Arita Porcelain Park, wie er hier heisst. Das barocke Ensemble ist mir aus Dresdener Studientagen sehr vertraut. Nun im Zwinger in subtropischer Hitze und so andersartiger Geräuschkulisse von schnarrenden Zikadengesängen zu stehen, fühlt sich fremd und unwirklich an, so als ob ich mich entweder nicht am richtigen Ort oder nicht in der richtigen Zeit befinden würde: Was wenn es sich bei diesem Gebäude doch um das Dresdner Original handeln würde, aber in Tausenden von Jahren in der Zukunft, in denen drastische Klimawandel und einschneidende Bevölkerungswanderungen dazu geführt hatten, dass nur der Zwinger noch von Dresden übrig geblieben war? Ich wundere mich, wie es zur Errichtung des Zwingers in Arita gekommen sein mag und beginne (always having a side project) vor Ort zu recherchieren.
Der jetzige Eigentümer, der Sosei Sake Brauerei, bei der es sich ursprünglich um einen Kammerjäger-Betrieb gehandelt haben soll, hatte den Arita Porcelain Park nach dessen Bankrott übernommen und am Rande des Komplexes (zu dem auch noch typisch-deutsche Fachwerkhäuser gehören) Produktionsstätten zur Sake-Herstellung errichtet. Die ursprüngliche Eigentümerin war die VOC limited company, die absurderweise ihren Namen mit der Vereenigde Oostindische Compagnie teilt, der Dutch East India Company, und damit mit jener 1602 gegründeten Handelsvereinigung, die eng mit der niederländischen Kolonialvergangenheit verbunden ist. Die VOC auf Kushu wurde von Tadashi Fukagawa mitbegründet, dem damaligen Eigentümer von Koransha, einer der berühmten Porzellanmanufakturen in Arita, die sich seit dem 17. Jahrhundert in Familienbesitz befinden. Und von Tadahsi Fukagawa’s jüngstem Sohn, der jetzt das Unternehmen leitet, erfahre ich das erste Mal von jenen wilden Japan-DDR-Connections, die, so erzählt es der Sohn, mit dem Gerücht begannen, dass sich im Keller des Zwingers wohl eine große Ansammlung des berühmten Arita-Porzellans befinden sollte. Sein Vater war in der Bibliothek der Koransha Manufaktur auf ein Exemplar des äußerst seltenen Buches Keramic Art of Japan von 1881 gestoßen, in der die Dresdner Porzellansammlung im Zusammenhang mit Arita Porzellan prominent erwähnt wurde, und er beginnt Ende der 1960er Jahre wohl Briefe nach Dresden zu schreiben, an die Porzellansammlung Dresden und ihre langjährige Direktorin Ingelore Menzhausen. Im Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist Menzhausens Korrespondenz feinsäuberlich abgeheftet. Der erste Hinweis auf einen Kontakt mit Arita findet sich in Form eines Telegrams mit anschließendem Brief vom Juni 1970. Da wird der Besuch im September desselben Jahres bereits geplant. Im September 1970 kommt die Arita China Ware Mission (worunter auch Sakaida Kakiemon XIV, lebender Nationalschatz Japans) nach Dresden, und damit aus japanischer Sicht in eine sozialistischkommunistische Arbeiter- und Bauerndiktatur, zu der Japan zu jenem Zeitpunkt noch nicht einmal offizielle diplomatische Beziehungen pflegte. Gab es Bedenken? Kann man sich diese Reise wie eine Reise ins heutige Nordkorea vorstellen? Der Besuch war dann jedenfalls ein großer Erfolg. Neben Dresden besuchen die seven samurai, wie sie genannt wurden, auch die Meißener Porzellanmanufaktur, und erste Beziehungen wurden damit auch nach Meissen geknüpft. Ab 1973 beginnen die Planungen für eine große Wanderausstellung von Arita Porzellanen aus der Dresdener Porzellansammlung, die 1975 in Japan unter viel positivem Anklang und Presse in Japan stattfindet. Der kulturelle Austausch wird vertieft, es folgen weitere Besuche, und 1979 wird dann die offizielle Städtepartnerschaft zwischen Arita und Meissen unterzeichnet.
Nun fand dieser Kulturaustausch nicht im luftleeren Raum statt: Porzellane der Meissener Manufaktur waren nicht nur wichtige Devisenbringer. 3 Mitte der 1970er Jahre wurde beschlossen, dass der Export vor allem ins Nichtsozialistische Ausland deutlich angekurbelt werden muss, um an harte Devisenwährung oder Valutamark zu kommen. Die DDR sind ein rohstoffarmes Land. Alles was aus dem nichtsozialistischen Ausland importiert werden muss, muss mit Devisen bezahlt werden. Fokus bei diesen Exportbemühungen waren u.a. Porzellan, Glas und Optische Geräte. Meissner Porzellan ist wichtiger Divisengeber, wird aber auch gerne als Gastgeschenke in Auftrag gegeben. Gern gesehener Auftraggeber ist hierbei u.a. Genosse Schalck-Golodkowski, bezahlt er doch stets direkt an die Manufaktur in West-Mark. Porzellan war ebenfalls eines der politischen Kulturgüter, die —staatlich gefördert— diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen anbahnen sollten. 4 z.B. BStU, MfS, HV A 208, Bl. 113-132 Bericht des IM Heinz aus dem Jahr 1964, der von einer Wirtschaftsdelegation zu den Olympischen Spielen in Tokyo berichtet: Wege zur Normalisierung der Beziehungen zu Japan: über Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehungen, Möglichkeit der Ausnutzung der Aufgeschlossenheit zu Deutschsprachigen. (…) “Die Motive dieser freundlichen Haltung uns gegenüber sind verschiedener Art und reichenden von Erinnerungen an die „Achse“ bis zu echten und unechten kulturellen Beziehungen. Es war immer wieder zu spüren, dass diese Aufgeschlossenheit sehr leicht für uns nutzbar zu machen ist“ Oder BStU, MfS, HV A 25, Bl. 114-117. „Vor allem die Konzertgastspiele brächten für die DDR nicht nur politischen Erfolg, sondern auch einen finanziellen Gewinn. Das Interesse der Japaner konzentriere sich vor allem auf die Dresdner Kunstschätze, die Meißner Porzellanmanufaktur, die großen Orchester in Dresden und Leipzig und die Goethestadt Weimar. Die DDR habe diese Interesse geschickt aufgegriffen. Es sei zu erwarten, daß nach der Fertigstellung des gegenwärtig im Bau befindlichen japanischen Luxushotels in Dresden die DDR eine festen Platz in den Europa-Routen japansicher Reisebüros erhält. (Aus Information über die Beziehungen DDR-Japan aus BRD-Sicht, Ministerium für Staatssicherheit 1983) Bis zum Jahre 1973 gab es keine diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und Japan. Die DDR versuchte dennoch, in Japan Fuß zu fassen —man war vor allem auch an technisch-wirtschaftlichen Verbindungen interessiert— und hierfür sollte sich Japans Aufgeschlossenheit zu allem Deutschsprachigen und das deutliche Interesse an deutschen Kulturgütern zu Nutze gemacht werden. 5 Diplomatische Beziehungen zur DDR wurden lange als feindlicher Akt gegenüber der BRD gewertet, da die BRD die Alleinvertretung als deutscher Staat beanspruchte. z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Hallstein-Doktrin Im Oktober 1973 wird die Botschaft der DDR in Tokio eröffnet, im März 1974 das Agreement für den ersten DDR-Botschafter in Japan erteilt, und 1977 reist die erste offizielle Staatsdelegation der DDR nach Japan. Gekrönt werden all diese Bemühungen 1981, als der Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR Erich Honecker auf Einladung der japanischen Regierung zum ersten offiziellen Staatsbesuch nach Japan kommt. Während dieser Reise fährt Erich Honecker nicht nur mit Begeisterung Shinkansen und wird vom japanischen Emperor zum Lunch geladen. 6 Ein offizielles Dinner Banquet war wohl aufgrund der damit verbundenen Kleidungsvorschriften, die nicht mit dem Auftreten eines sozialistischen Führers eines Arbeiter- und Bauernstaates vereinbar waren, verunmöglicht. z.B. https://www.spiegel.de/politik/kaiser-und-kommunist-a-11b51d16-0002-0001-0000-000014336015 Erich Honecker wird auch zum Ehrenbürger Aritas ernannt, und er notiert im Gästebuch der Stadt: „Hohes handwerkliches Können und schöpferisches Leistungsvermögen haben den Weltruf der japanischen Porzellankunst begründet. Die Zeugnisse des Fleißes der Bürger der berühmten Porzellanstadt Arita überdauern Generationen und Jahrhunderte. Sie sollen nie durch Kriege zerstört werden und der kulturellen Erbauung der Menschheit dienen. Möge sich die Partnerschaft zwischen Meißen und Arita im Frieden entwickeln und Symbol für gute Beziehungen und die Freundschaft zwischen den Völkern der DDR und Japan sein. Erich Honecker, Vorsitzender des Staatsrates der DDR.“ 7 Ausgangsinformation der HVA des MfS Reihe: (Einzel-) Informationen, Nummer: 185/83 Archivsignatur: BStU, MfS, HV A 25, Bl. 114-117. „Staatsbesuch hat in Folge zu einer Intensivierung vor allem der Wirtschaftsbeziehungen geführt.“
Nach all den erfolgreichen Ausstellungsvorhaben, sowohl in Japan als auch in der DDR, wächst in Herrn Fukagawa in den 1980er Jahren der Wunsch, einen eigenen Ausstellungsort von Arita Porzellan vor Ort zu errichten, und welches Gebäude würde sich dazu besser eignen als eine Kopie des Dresdener Zwingers? Mit dem Erlass des „Law for the Development of Comprehensive Resort Areas“ 1987, welches die Entwicklung einheimischer Freizeit- und Tourismuseinrichtungen zum nationalen Projekt erklärt, eröffnet sich die Möglichkeit, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen, und in Form eines Themenparks an die ursprüngliche Funktion des Zwingers anzudocken. 8 Der Dresdner Zwinger wurde nicht wie sein Name vermuten liesse als spezifisches Verteidigungsareal im Festungsbau angelegt, sondern von Anfang an als Orangerie, Ausstellungsgalerie und Vergnügungsort des Dresdner Hofs konzipiert. 1988 verstirbt Tadashi Fukagawa unerwartet, ohne seinen Plan der Zwingerkopie als einheimischen Ausstellungsort realisieren zu können. Sein ältester Sohn Noriyuki Fukagawa war jedoch mit der Tochter Hiroyoshi Aokis verheiratet, Eigentümer der Aoki Corporation und damit einer der reichsten Männer der Welt. Jener macht es sich aufgrund der familiären Verbindungen zur Aufgabe, Tadashi Fukagawas Herzenswunsch zu erfüllen. Im Mai 1990, und damit noch zu DDR-Zeiten, reisen der Bürgermeister Aritas sowie Generaldirektoren der Arita VOC Cooperation und der Aoki Corporation nach Dresden, um sich für das Projekt der Zwinger-Kopie auszusprechen. Der damalige Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen nutzt diese Gelegenheit, die Arita VOC Cooperation um eine (großzügige) Spende zu bitten, bei der „die Zwinger-Kopie in Arita als Sponsor bei der Rettung des Zwinger-Originals hilft“. 9 Brief des Generaldirektors Werner Schmidt an die Arita VOC vom 10.7.1990. Archiv der SKD Diese Spendenaufforderung bekräftigt er beim Besuch von Hiroyoshi Aoki im darauffolgenden Jahr. Dieser kommt zusammen mit einer größeren Delegation, zu der neben seiner Frau auch Tochter Mariko, Ehefrau Noriyuki Fukagawas, Noriyuki Fukagawa selbst und ein ehemaliger brasilianischer Energieminister angehören, im August 1991 für einen Tag nach Dresden. Neben den Außenanlagen des Zwingers und dem Museumsteil der Porzellanmanufaktur Meissen, werden auch Gespräche mit der Treuhandanstalt Niederlassung Dresden geführt, um sich über die Privatisierungsprozesse der hiesigen Betriebe zu informieren. Hiroyoshi Aoki äußert nämlich den Wunsch, im sächsischen Bau- und Hotelgewerbe aktiv zu werden, und ich frage mich, ob entweder eigene wirtschaftliche Interesse mit der Anbahnung der Zwingerkopie oder die Anbahnung der Zwingerkopie mit vagen Versprechungen von wirtschaftlichen Investments verbunden werden. 10 z.B. Artikel „Dresdner Zwinger bald in Arita“ in den Dresdner Neuesten Nachrichten vom vom 2.8.1991, oder ‚Artikel „Arita erhält Kopie des Zwingers“ in der Sächsischen Zeitung vom 2.8.1991 Am 18. April 1993 findet dann die offizielle Einweihung des Arita Porcelain Parks statt, zu der z.B. auch Generaldirektor Schmidt der Staatlichen Kunstsammlungen nach Japan reist.
Der Arita Zwinger als Themenpark existiert dann nur für einen relativ kurzen Zeitraum. Aufgrund finanzieller Unrentabilität wird der Arita Zwinger nach nur wenigen Jahren bankrott erklärt. Nach Erwerb durch die Sosei Sake Brauerei ist er der Öffentlichkeit nun wieder zugänglich. Der Arita Porcelain Park dient seinem Eigentümer zu repräsentativen Zwecken, was mir ein wenig schleierhaft ist, handelt es sich bei Sake doch um ein typisch japanisches Getränk. Der Arita Porcelain Park entwickelt sich auch zum beliebten Ausflugsziel vor allem chinesischer Touristen, und wird von diversen japanischen Filmproduktionen als europäisch-historische Filmkulisse genutzt. Ich frage mich nun: Was wäre, wenn der Arita Zwinger nicht nur als Ausstellungsort konzipiert, sondern dessen Errichtung seit Mitte der 1980 Jahre auch tatkräftig vom MFS unterstützt worden wäre?
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Arita grüßt Meißen“ am 7.Juni 1985 wurden 2 japanische Delegationen erwartet, die an den Eröffnungsfeierlichkeiten teilnehmen sollten. Unter der offiziellen Repräsentationsgruppe befand sich auch Tadashi Fukagawa, Eigentümer der berühmten Porzellanmanufaktur in Arita und wichtige Schlüsselperson im DDR-Japanischen Kulturaustausch. Als Teil der DDR-Delegation war es mir möglich, mit Herrn Fukagawa sowohl bei der Einweihung des Arita-Hains im Park Siebeneichen als auch während der Eröffnung der Ausstellung in der Albrechtsburg ungezwungen ins Gespräch zu kommen. Während eines dieser informellen Gespräche erwähnte er, dass es seit längerem sein unbedingter Wunsch sei, in Arita einen repräsentativen Ausstellungsort errichten zu wollen, und dies am liebsten in Form einer Kopie des Dresdner Zwingers. Als ich zu bedenken gab, dass die Dresdner mit ihrem Lokalpatriotismus dies wahrscheinlich nicht zulassen würden, schaute mich Herr Fukagawa nur wissend an und sagte aber nichts, was mich stutzig machte. Der Rest des Gesprächs verlief unauffällig, ebenso wie die sich anschließenden Veranstaltungen.
gez. „IMS Barock“
Betr.: Zur möglichen Zwingerkopie in Arita, Japan und die Nutzbarmachung für operative Vorgänge Lieber Genosse (geschwärzt),
wie Sie bereits wissen, sind wir seit längerem auf der Suche nach potentiellen Trainingsstätten für zukünftig anzuwerbende Kundschafter des Friedens im NSW. Für den für uns so wichtigen japanischen Raum scheint sich nun eine Möglichkeit aufzutun (siehe Bericht IMS Barock). Eine angestrebte Zwingerkopie im südlichen Kushu würde nicht nur die für eine bestmögliche Schulung der angeworbenen Personen nötige typisch-europäische Architektur und Innenausstattung garantieren. Aufgrund der Abgeschiedenheit wäre dieser Neubau auch einem deutlich geringeren Fremdenttarnungsrisiko ausgesetzt. Wir wissen bereits, dass touristische Freizeitaktivitätskulissen sehr gut geeignet sind, operative Vorgänge effektiv zu maskieren. Hinzu kommt, daß wir im Dresdner Zwinger bereits mehrere operative Übergabeorte etablieren konnten, und sich damit die einzigartige Möglichkeit ergeben würde, festgelegte Kontrollmaßnahmen etc in gespiegelten Räumlichkeiten vor Ort in Japan unter semi-realen Bedingungen trainieren zu können. Ich würde dies gerne demnächst persönlich mit Ihnen und Gen. (geschwärzt) besprechen. Im Anschluss daran könnten wir mit der nächsten Arita Delegation noch in diesem Jahr den Auftrag auslösen, vor Ort mögliche Kontaktpersonen ausfindig zu machen.
gez. (geschwärzt)
Ihnen scheint eine barocke Kulisse für eine Sci-Fi Spy Story zu abwegig? 11 Der Zwillingszwinger ist einer der Handlungsorte im OPERATION ZWIEBELMUSTER, in dem ich mich mit dem illegalen Embargohandel und dem damit einhergehenden illegalen Computer- und Mikroelektronik-Technologietransfer zwischen Japan und der DDR in den 1970er und 1980er Jahren auseinandersetze. Aus den zahlreichen Recherchen entwickle ich (Sci-Fi-Tech Spionage) Narrative, in der Original Meissener Zwiebelmustergeschirr nicht nur als Bezahlung für involvierte Toshiba-Manager dient (wie im Stasi-Archiv dokumentiert), sondern ebenfalls als geheimer Datenträger für hochsensible Informationen zum Einsatz kommt. Mehrteilige Porzellanarbeiten, die z.T. in Zusammenarbeit mit der Meissener Porzellanmanufaktur entstanden sind, werden dann zusammen mit mit dem Textnarrativ, faktischen und semi-fiktiven Recherchematerialien und Abbildungen installativ und innerhalb von Performances im Raum vielschichtig aufgefaltet. Das sahen zumindest die Macher des bekannten DDR Science Fiction Film Eolomea ebenfalls anders. 12 Regie: Herrmann Zschoche, 82 Min., Farbe, Spielfilm. Deutsche Demokratische Republik. DEFA-Studio für Spielfilme, 1972 Bei der barocken Silvesterfeierkulisse in Eolomea handelt es sich zwar nicht wie ursprünglich angenommen um den Dresdner Zwinger sondern um das Neue Palais von Sanssouci. Eine der Hauptpersonen des Films, die junge Wissenschaftlerin Prof. Maria Scholl, benutzt dann jedoch während einer Sitzung des wissenschaftlichen Rates des Erde-Zentrums Margot, wo führende WissenschaftlerInnen aus aller Welt als MitgliederInnen des obersten irdischen Gremiums für die Raumfahrt der Zukunft an DDR-Standard sprelacartbeschichteten Schulbänken sitzen, eine Original Meissener Zwiebelmustertasse nicht etwa, um Kaffee daraus zu trinken, sondern ihre Zigarette darin auszudrücken. 13 Becker, Marcus. “Das Sprelacart Der Zukunft:" Eolomea" und die Szenographie der DEFA-Science-Fiction zwischen Anachronismen, Used Look und dem Futuresken.” Kunsttexte. de-Journal Für Kunst-Und Bildgeschichte, no. 1 (2014): 1–16.