Palais-Garten #3 - Kunst und Käfer: Über mögliche Konflikte mit der Biodiversität im Museumskontext 30. April 2024

Der Nektar der Kornellkirschenblüte (Cornus mas) ist im Februar das erste gefundene Fressen für (Wild-)Bienen und andere Insekten.

Der Garten im Innenhof des Japanischen Palais entstand 2019 unter dem Titel „Essbares Museum“. Im Fokus stand, eine Vielzahl an Pflanzen zu zeigen, die nicht nur einen schönen Garten ausmachen, sondern auch für uns Menschen nutzbar sind. In den letzten Jahren haben die Pflanzen einiges an Größe hinzugewonnen, sich Platz verschafft. Manche wurden verdrängt, andere haben sich wild ausgesät. Jeden Frühling werden einjährige blühende Kräuter- und Heilpflanzen neu gepflanzt. Kurz: Der Garten ist ein Prozess und er verdichtet und entwickelt sich. Bemerkenswert ist die Anwesenheit vieler als 'Unkraut' gängiger Pflanzen wie Brennnesseln, Wilde Karde, Sauerampfer, Gundermann, Löwenzahn, Spitzwegerich usw. Im Winter verbleiben die abgeblühten Pflanzenteile als Nistquartiere für einige Lebewesen in den Beeten, was den Garten an mancher Stelle wild anmuten lässt. Manche Besuchende mögen sich an der Wildheit des Gartens stören, andere wiederum genießen ihn gerade deshalb, besonders wenn sie um die Bedeutung der Pflanzen für Mensch und Tier wissen.

Was erreicht und vermittelt werden soll, ist ein Bewusstsein für die Vielfalt, die attraktiv für sämtliche Tiere ist – Insekten, Würmer und andere Bodenorganismen, Käfer, Schmetterlinge, Vögel. Manche von ihnen haben von den Mitarbeitenden des Hauses bereits liebevoll Namen erhalten. Aber nicht aus jeder Perspektive ist die Vielfalt der sich ansiedelnden Tiere wünschenswert. Dr. Michael Mäder, der für die Bewahrung von Kunst innerhalb der SKD zuständig ist, gibt interessante Einblicke in die Zusammenhänge zwischen einem vielfältigen Garten im Museum und dem Schutz vor Schädlingen für Kunstwerke. Nicht nur in der konventionellen Landwirtschaft, sondern auch in der Kunstkonservierung wurden ab dem 20. Jahrhundert mit der wachsenden chemischen Industrie toxische Insektizide (z.B. als Holzschutz) verwendet, die sich letztendlich nicht nur als Gefahr für Schädlinge, sondern auch für die menschliche Gesundheit erwiesen.

Die Feuerwanze krabbelt aus dem Winterversteck. Sie ernährt sich u.a. von toten Insekten, Insekten- und Schneckeneiern und zählt somit zu den Nützlingen im Garten. An lebenden Pflanzen richtet sie keinen Schaden an. Auch sonst überwintern viele Würmer und Larven in der geschützten Gartenerde.

Um die Besuchenden und Mitarbeitenden nicht zu gefährden, liegt der Fokus der Konservierung mittlerweile im vorbeugenden Management und zielt darauf ab, Möglichkeiten zum Eindringen von Schädlingen zu versperren und zu blockieren. Denn „jedes ausgesperrte Insekt oder Nagetier stellt keine Gefahr mehr dar und muss nicht aufwendig bekämpft werden“, so Michael Mäder. Ein sinnvoller und nachhaltiger Gedanke.

Im Normalfall wird im Museumsraum dafür gesorgt, dass sämtliche Nahrungsquellen und raumklimatische Bedingungen, die einen eventuellen Befall begünstigen, bereinigt und reguliert werden. Im Außenraum werden eventuelle Niststellen vermieden und ggf. beseitigt. Doch wie sieht das im Japanischen Palais, einem historisch bedeutenden und denkmalgeschützten, sanierungsbedürftigen Gebäude aus, das die üblichen raumklimatischen Bedingungen eines Museums nur zum Teil erfüllt?

Ziel des Japanischen Palais ist es, die Türen für die Bevölkerung zu öffnen, sie zum aktiven Mitwirken und gemeinsamen Aushandeln von Zukunftsfragen im Kunst- und Kulturkontext einzuladen. Der Garten ist ein wichtiger Baustein für diese Ausrichtung und nicht mehr wegzudenken. Offene Türen, offene Werkstätten, ein Café mit Projektraumcharakter, eine Wurmkompostkiste, welche die Kreisläufe sichtbar werden lässt. Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, hier ein Modell für das Museum der Zukunft zu erproben und die Konflikte zwischen der Diversität im Palais-Garten und den Belangen des präventiven Schutzes der Kunst in den Ausstellungsräumen aufzuzeigen und neue Ansätze im Umgang damit auszuloten.

Im Gegensatz zu den Räumlichkeiten im Erdgeschoss, lassen sich die Räume der oberen Etage des Japanischen Palais gut regulieren. Das ist wichtig, da dort z.B. das historische Damaskuszimmer (eine 200 Jahre alte, reich verzierte, hölzerne Wand- und Deckenverkleidung aus einem Wohnhaus in Damaskus) ausgestellt ist. Ein Befall von z.B. holzfressenden Insekten könnte an dieser Stelle großen Schaden anrichten.

Nicht jedes Tierchen, das sich ins Museum verirrt, stellt eine Gefahr für die Kunst dar. Auffallend ist, dass es eine Frage der Perspektive und des Kontextes ist, ob wir bei einem nichtmenschlichen Lebewesen von einem Schädling oder einem Nützling für die Umwelt sprechen. Was dabei hilft den Blick zu schulen ist Bildung. So wäre es wünschenswert, alle nichtmenschlichen Akteure und ihre Ansprüche zu kennen: Welches Tier kann irreversible Schäden anrichten? Welche Bedingungen braucht es für seine Entwicklung in den jeweiligen Lebensstadien? Welche Tiere verunreinigen die Kunst z.B. durch ihre Hinterlassenschaften? Welche sind deshalb im Blick zu behalten, weil sie Nahrungsquelle für andere, unerwünschte Tierchen darstellen? Welche Tiere verursachen keine Schäden, genießen aber wenig Akzeptanz bei den Besuchenden? Wie kann und muss im Garten darauf reagiert werden? Welche Maßnahmen gilt es in welchen Bereichen der Museumsräume einzuhalten oder neu zu etablieren?

Nach dem Gespräch mit Herrn Mäder waren wir uns einig, dass Bildungsformate für Besuchende und Mitarbeitende von Museen in diesem Sinne hilfreich und sinnvoll sind und möglicherweise neue Erkenntnisse und Wege im Umgang mit den genannten möglichen Konflikten in einem Projekt wie dem Japanischen Palais eröffnen könnten. Gemeinsam mit Senckenberg Naturhistorische Sammlungen hätte das Japanische Palais jedenfalls schon jede Menge fachliche Expertise im Haus versammelt.

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