Voices Mag: Thijs, worum geht es bei "Wither", deiner aktuellen Installation auf der Kinderbiennale?
Thijs Biersteker: "Wither" bietet einen Eindruck davon, wie der Regenwald im Amazonasgebiet verschwindet, und zwar in Echtzeit, in genau der Geschwindigkeit, mit der die Abholzung vor Ort stattfindet. Jedes Blatt, das in der Skulptur verwelkt, steht für den Verlust von 128 m2 Regenwald – was einen enormen Verlust an biologischer Vielfalt darstellt, den das Werk zu vermitteln versucht. Während des ersten COVID-19 Lockdowns nahm die Abholzungsrate sogar um 70 % zu, was so unvorstellbar ist, dass ich angefangen habe, ein Werk zu schaffen, das uns dabei hilft, diese Tatsache auf einer menschlicheren Ebene besser zu begreifen.
Sind Umweltthemen immer die Grundlage für deine Arbeit?
All meine Arbeiten drehen sich um die wichtigen Themen der Gegenwart, und das sind natürlich der Klimawandel, der Verlust der Artenvielfalt, die Umweltverschmutzung und andere Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind. Meine Arbeiten werden immer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entwickelt, im Fall von "Wither" bestand die Grundlage des Werks aus Daten der UNESCO.
Wie gehst Du mit der Tatsache um, dass auch Kunstwerke einen CO2-Fußabdruck hinterlassen? Sind nachhaltige und recycelte Materialien etwas, das Du in deinem Arbeitsprozess berücksichtigst?
Wenn man ein Werk schaffen will, das sich mit Auswirkungen auf die Umwelt beschäftigt, muss man die Tatsache in Kauf nehmen, dass auch das Werk selbst Auswirkungen auf die Umwelt haben wird. Es gibt keine Möglichkeit, das System zu verändern, ohne Teil davon zu sein. Die Frage, die man sich stellen muss, ist vielmehr, ob sich das gemessen an den Vorteilen lohnt. Im Woven Studio, dem Atelier, das wir gegründet haben, arbeiten wir so nachhaltig wie möglich, das heißt, wir haben den gesamten Lebenszyklus der eingesetzten Materialien im Blick. "Wither" ist ein gutes Beispiel dafür, denn es verwendet neben elektronischen Bauteilen auch Fabrikabfälle und recycelten Stahl. Jedes Teil wird in einem "Materialpass" dokumentiert, der alle zukünftigen Nutzer darüber informiert, wie das Werk zu entsorgen ist, wenn es seine Aufgabe erfüllt haben wird. Zusätzlich zu fangen wir langsam an, auch anderen Künstlern dabei zu helfen, bessere Methoden für eine nachhaltige Produktion zu entwickeln, um den Hebel umzulegen.
Deine Arbeit ist stark davon geprägt, dass Kunst beitragen kann, die Dinge zum Besseren zu wenden.
Meiner Meinung nach spiegelt Kunst die Zeit wider, in der wir leben. Und unsere Zeit ist durch enorme Herausforderungen geprägt, die es zu bewältigen gilt. Kunst hat die Kraft, die großen Themen der Gegenwart auf einer Ebene zu vermitteln, die für jeden zugänglich ist, und sie kann uns helfen, das große Ganze zu verstehen. Erst wenn wir die jeweiligen Probleme verstanden haben, können wir anfangen, sie zu lösen.
Deine Arbeit steht in der Tradition der Konzeptkunst, aber auch der ökologischen Kunst. Wie stehst du zu anderen Wissensformen außerhalb der Kunst, insbesondere den Wissenschaften?
Ich bin der Meinung, dass Kunst und Wissenschaft in Verbindung zueinander stehen und gemeinsam sehr wirkmächtig sind, da sie sowohl eine rationale als auch eine emotionale Seite des Menschen ansprechen. Das menschliche Gedächtnis speichert Daten und Fakten, aber häufig sind es die Gefühle, die uns erst zum Handeln bringen. Und Handeln ist das, was wir jetzt brauchen. Ich denke, dass Kulturschaffende, Künstler, Schriftsteller und Musiker es sich zur Aufgabe machen sollten, die Fakten der Wissenschaft an eine breite Öffentlichkeit zu vermitteln. Deshalb arbeiten wir mit großen Universitäten und Forscherteams zusammen, um diese Kluft zu überbrücken. Ich denke, das ist unsere Pflicht als Künstler.
Thijs, gib uns noch einen kleinen Einblick in die Zukunft: Woran arbeitest Du aktuell?
Wow! Also im Moment ist eine Menge los. Wir arbeiten an mehreren neuen Projekten gleichzeitig. Es gibt Projekte zur Kommunikation zwischen Bäumen, zu Myzel-Netzwerken, die in der Lage sind, Gebäude zu regulieren, und zur Umweltverschmutzung durch digitale Daten. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir die UNESCO im letzten Monat als Partner gewinnen konnten, was einen großen Schritt nach vorn darstellt - gerade wenn es darum geht, Zugang zu umfangreichen und differenzierten wissenschaftlichen Daten zu erhalten. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich möchte meinen Teil dazu beitragen, eine Art von Zukunft zu verhindern, die niemand erleben will.