Ins Jenseits des Eisernen Vorhangs. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) in Japan 27. August 2024

Die Beziehungen zwischen Japan und der DDR sind so tief reichend, wie sie unerforscht sind. Dabei hatten beide Staaten eine vielschichtige Beziehung zueinander aufgebaut. Japan wurde als wirtschaftliche Brücke des sozialistischen Systems der DDR in den kapitalistischen Westen angesehen. Man hoffte auf Möglichkeiten, um sich außenpolitisch zu positionieren und in den Einflussbereich der BRD zu kommen, der nach der „Hallstein-Doktrin“ von 1955 geschützt sein sollte. Dieser Leitsatz, den Konrad Adenauer bei seiner Regierungserklärung 1955 zum Ausdruck brachte, besagte:

„(…), dass die Bundesregierung auch künftig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR durch dritte Staaten, mit denen sie (die BRD) offizielle Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen würden.“

Shogo Akagawa, Die Japanpolitik der DDR, 1949 bis 1989, Berlin 2020, S. 32.

Daher hielten sich potenzielle Handelspartner auf Seiten des Westens eher zurück, wenn es um Beziehungen zur DDR ging. Die stand überdies unter dem CoCom Embargo von 1950, einem Handelsembargo der USA, das den Verkauf von neuen Technologien in die Oststaaten untersagte.

Nach den Olympischen Spielen 1964 in Tokyo begann die DDR damit, sich um wirtschaftliche Beziehungen zu Japan zu bemühen. Im Zuge der Spiele beobachteten Mitglieder der SED den wirtschaftlichen Aufschwung Japans, durch den das Land neben Kanada und den USA als potentiell lukrativer Partner wahrgenommen wurde. Dafür mussten außenpolitische Kontakte geknüpft werden. Doch dieses Vorhaben scheiterte zunächst daran, dass Japan sich dem Leitsatz Adenauers verpflichtet fühlte. Um das Interesse Japans am eigenen Land zu wecken, versuchte die DDR sich kulturpolitisch als „Erbe der deutschen Kultur“ zu präsentieren. Dazu gehörten etwa Gastauftritte von Orchestern der DDR, wie dem Gewandhausorchester Leipzig und dem Staatsorchester Dresden. In der japanischen Kultur der Zeit herrschte eine große Begeisterung für klassische Musik und die Orchester der DDR durften daher oft in Japan spielen.

Auch Kunstausstellungen boten einen Weg, sich entsprechend zu präsentieren. Im Zuge einer solchen konnte erstmals auch Staatsbesuch auf Ministerebene nach Japan reisen. Der Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann besuchte 1974 die Eröffnung einer Gemäldeausstellung des Nationalmuseums für westliche Kunst, in der auch Bestände der Gemäldegalerie Alter Meister aus Dresden ausgestellt wurden. Er nahm die Stimmung der Vertreter der japanischen Regierung gegenüber der DDR als wohlwollend auf und bemerkte in einem Brief an Erich Honecker: „Es gibt eine große Hochachtung gegenüber allem, was „deutsch“ ist.“1 Die Ausstellung wurde von 264.030 Personen besucht.2


1 Shogo Akagawa, Die Japanpolitik der DDR, 1949 bis 1989, (Studien des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin, Band 28), Berlin 2020, S. 312.
2 Website zur Ausstellung (zuletzt zugegriffen 30.11.2023)

Die SKD wirkten zu jener Zeit bei vielen Ausstellungen mit. In Japan wurden kulturelle Ereignisse dieser Art einerseits durch staatliche Museen organisiert, andererseits jedoch vor allem durch Zeitungen.3 Durch die Zusammenarbeit mit diesen erhoffte sich die Vertretung der DDR, über positive Berichtserstattung Kontakte zu Personen der Wirtschaft, Forschung und Politik knüpfen zu können, die zur Leserschaft dieser Zeitungen gehörten. Darunter waren etwa die Zeitung Nishi Nippon Shimbun, deren Vorstandsvorsitzender Jiro Enjoji Mitglied in Regierungsausschüssen war sowie die Asahi Shimbun, die damals auflagenstärkste Zeitung Japans.


3 Akagawa, 2020. S. 312/317.

So sind in Zusammenarbeit der DDR und Japan einige Ausstellungen organisiert worden. Dazu gehört eine Rembrandt-Ausstellung, die vom 2. September bis 24. November 1974 im Nationalmuseum in Tokyo stattfand. Eine weitere Ausstellung war „Deutsche Goldschmiedekunst und Prunkwaffen des 15.-18. Jahrhunderts“, die im Mitsukoshi Kunstmuseum stattfand und vom Grünen Gewölbe organisiert wurde. Mit Prinz und Prinzessin Takamatsu und der Schauspielerin Komaki Kurihara hatte die Ausstellung prominenten Besuch. Auf den Archivfotos der Ausstellung vor Ort ist zu sehen, wie die drei Personen von Johannes Erhard Schöbel, dem Direktor des Historischen Museums zu Dresden (Rüstkammer der SKD), durch die Ausstellung geführt werden.4


4 Die Ausstellung fand in Tokyo 30. Oktober bis 18.November 1979, in Osaka 27. November bis 9. Dezember 1979, in Hiroshima 29. Dezember 1979 bis 19. Januar 1980 und in Fukuoka 19. Januar bis 17. Februar 1980 statt.

In der DDR wiederum herrschte ein ähnliches Interesse an dem, was als „japanisches Kulturgut“ definiert wurde. In den SKD äußerte sich dies in Ausstellungen verschiedenster Güter des japanischen Kunsthandwerks. Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung „Moderne japanische Lackkunst“, die vom 26. Juni bis zum 8. August 1982 in Dresden zu sehen war. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Zeitung Nihon Keizai Shinbun und dem Nationalmuseum für moderne Kunst Tokyo, sowie den Staatlichen Museen zu Berlin organisiert. Bereits im Vorwort des dazugehörigen Katalogs wird zum Ausdruck gebracht, dass die Ausstellung „Bestätigung des langjährigen Ausstellungsaustausches zwischen Japan und der DDR“ sei, und dass das „Verständnis für die japanische Kultur in der Bevölkerung der DDR vertieft werden [solle], um die Bemühungen beider Staaten, für ein friedliches Zusammenleben, zu unterstützen“.5


5 Ausst. Kat. Moderne japanische Lackkunst, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1982, Vorwort.

Auch in Zusammenarbeit mit der Manufaktur Meissen wurden mehrere Ausstellungen organisiert. Bei diesen ging es natürlich um Porzellan, dessen Geschichte in Meißen 1710, und im japanischen Arita, einer Stadt im Südwesten Japans, bereits um 1600 begonnen hatte.6 Diese kunsthandwerkliche Verbindung führte die beiden Städte zusammen und mündete am 9. Februar 1979 in einer Städtefreundschaft, die bis heute Bestand hat. Ein Zeugnis dieses Austausches sind eine Gruppe von Porzellantafeln, die in Meißen im Durchgang vom Kleinmarkt zum Schulplatz angebracht sind. Insgesamt sind es 15 Bildtafeln aus Arita mit japanischen Motiven, die in das Gemäuer eingelassen wurden. Daneben stehen auf drei Texttafeln die Namen der Manufakturen und der Anlass zur 25-Jährigen Städtefreundschaft am 23. September 2004.


6 Ausst. Kat. Japanische Kunst aus drei Jahrtausenden, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1974, S. 13-14.

Auch die Porzellan-Manufaktur Meissen selbst pflegte Handelsbeziehungen mit Japan, tauschte sich aber auch künstlerisch aus. So reisten Mitglieder des Kollektivs „Künstlerische Entwicklung“ mehrere Male nach Japan, so etwa Heinz Werner, der 1980 eine Ausstellung dort begleitete.7 Bereits 1975 war von japanischer Seite aus Interesse an einem Künstleraustausch mit Meissen geäußert worden.8


7 Archiv der SKD, D2/PS 72, Einladung zu einer gemeinsamen Beratung am 8. August 1980, S. 2.
8 Archiv der SKD, O2/vw51, Verwaltungsdirektion 1975-83, Reiseberichte Herr Rost, 15.04.-05.05. 1975 Japan, S. 2.

In einem Interview der Sächsischen Zeitung zwischen Georg Kretschmann und dem Präsidenten der Zeitung Nishi-Nippon Shinbun, Toshimitsu Fukuda vom 14. Oktober 1975 beschreibt letzterer den Erfolg der Ausstellung „Altjapanische Porzellane aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden/DDR“. Hier wurden Porzellane ausgestellt, die im Zuge der Ausstellung erstmals nach 250 Jahren in ihr Ursprungsland zurückkehrten. Der Artikel war mit „Japan sprach von diesem Porzellan“ betitelt, da insgesamt 370.000 Menschen die Ausstellung besuchten.9 Sie wurde über Fernsehen, Zeitung und Radio beworben und unter anderem vom Kronprinzen Prinz Takamatsu und anderen prominenten Persönlichkeiten Japans besucht. „Es gibt wohl nur sehr wenige Japaner, die von diesem Ereignis nicht auf irgendeine Weise Kenntnis erhalten haben“, schrieb Fukuda.11 Er beschreibt die Ausstellungskooperation als eine Brücke, „auf der weitere Schritte der freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der DDR und Japan zurückgelegt werden können“ und hebt das Potenzial für weitere Zusammenarbeiten und neue Projekte hervor.11 Für ihn als Veranstalter, dem Ortswahl und Bewerbung oblagen, würden sich weitere Ausstellungen lohnen.


9 Archiv des SKD, 428/91, Sächsische Zeitung 14.10.1975 (Zeitungsauschnitt), „Japan sprach von diesem Porzellan“, Interview zwischen Toshimitsu Fukuda und Dr. Georg Kretschmann
10 Ebd.
11 Ebd.

Bis zum Ende der DDR 1989 ging der Kulturaustausch mit Japan weiter. So wurden auch 1989 noch Ausstellungen zu Porzellan und Malerei, sowie Orchestertourneen veranstaltet. Einige der damals entstandenen Verbindungen sind bis heute bestehen geblieben. Aus internen Dokumenten der SKD geht hervor, dass die Ausstellungen immer auch mit Blick auf den größeren Kontext gedacht wurden. Dabei heißt es in einem Dokument zur Vorbereitung für eine Ausstellung 1980, dass im Zuge dessen keinerlei Verbindung zu Vertretern anderer westlicher Staaten aufzunehmen sei. Im gleichen Dokument heißt es weiter: „10. Im Mittelpunkt aller Aussagen steht die sozialistische Kulturpolitik der DDR, eventuellen Auffassungen von einer ‚gesamtdeutschen Kultur‘ ist konsequent und parteilich gegenüberzutreten.“ 12 Weil in den Beziehungen zu Japan die Staatsideologie stets in dieser Weise geschützt werden sollte, blieben wichtige Beziehungen lediglich oberflächlich. Von japanischer Seite war hingegen keine klare Positionierung gegenüber der DDR festgelegt worden. Die Vermeidung einer solchen ist sicherlich einer der Gründe dafür, dass die hier beschriebenen Projekte einen Austausch über den eisernen Vorhang hinweg ermöglichen konnten.


12 Archiv des SKD, O2/vw51, Verwaltungsdirektion 1975-83, Reiseberichte Herr Rost, 15.04.-05.05. 1975 Japan, S. 1.

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