Lotte Reinigers Silhouettenfiguren
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Puppenspielerin Elsbeth Schulz 1947 beim Schattenspiel am Krankenbett von Carl Koch (Lotte Reinigers Ehemann). Krankenschwestern und Kinder schauen zu. Lotte Reiniger selbst ist ganz rechts zu sehen und spielt die Figur des Königs - Aus dem Album „Buch der Erinnerungen 1956-1960“ von Elsbeth Schulz.
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung (Inv.-Nr.: C 13429_52)
Die Berlinerin Lotte Reiniger (1899–1981) war als Scherenschnittkünstlerin eine der wichtigsten Personen in der Geschichte des Schattenspiels und Animationsfilms. Schon 1926 – also über zehn Jahre vor Disneys SCHNEEWITTCHEN UND DIE SIEBEN ZWERGE (Hand, USA: 1937) – drehte sie den ersten langen, abendfüllenden Trickfilm der Welt: DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED (Reiniger, Deutschland: 1926).
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Carl Schröder: Lotte Reiniger auf dem Internationalen Festival und IX. UNIMA-Kongress in München (1966), 6 x 6 cm
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung (Inv.-Nr.: F 45,28)
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Angeregt durch ihre kunst- und kulturinteressierten Eltern begeisterte sich Reiniger bereits als Kind für Märchen, Theater und kreatives Gestalten. Schon früh entwickelte sie Schattentheater und faszinierte Familie und Schulkollegium mit ihren Scherenschnitten. Über den bekannten Theaterschauspieler und Filmregisseur Paul Wegener (DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM (Wegener/Boese, D: 1920)), mit dem sie später eng befreundet war, kam sie ans „Institut für Kulturforschung“, ein Atelier für experimentelle Animationsfilme in Berlin. Dort verfeinerte sie ihre Techniken, vor allem des Scherenschnitts, und lernte Carl Koch kennen. Er wurde ihr Ehemann und technischer Unterstützer. Das Ehepaar war mit zahlreichen Kunstschaffenden und bekannten Persönlichkeiten Berlins befreundet, z.B. dem Experimentalfilmer Walter Ruttmann oder dem Dramatiker Bertolt Brecht.
Viele von Reinigers Filmen basieren auf fantasievollen Geschichten, Märchen und Mythen. Zu diesen zählen ASCHENPUTTEL (D: 1922), DOKTOR DOLITTLE UND SEINE TIERE (D: 1928) und PAPAGENO (D: 1935), bei denen sie, wie fast immer, sowohl für die Regie als auch die Animation verantwortlich war. Das gilt auch für DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED.
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Lotte Reiniger beim Spiel hinter der Bühne, Szene aus „Der gestiefelte Kater“ (um 1947)
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung
Die Bilder für den Film wurden mit einer speziellen Technik erfasst: Aus Pauspapier und Pappe fertigte Reiniger zunächst aufwändige Kulissen. Die Kulissenteile legte sie dann zwischen zwei Glasplatten. Dann positionierte sie auf der oberen Glasplatte die beweglichen Figuren. War sie mit dem Zusammenspiel von Kulisse und Figur zufrieden, platzierte sie unterhalb der Glasplatten eine Lichtquelle und oberhalb eine Kamera, um die Inszenierung Bild für Bild aufzunehmen. Mit finanzieller Unterstützung des Bankiers Louis Hagen nahm Reiniger für DIE ABENTEUER DES PRINZEN ACHMED auf diese Weise insgesamt 300.000 Einzelbilder von Scherenschnitten auf – in dieser Menge eine absolute Sensation.
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Albumblatt mit Foto von "Der gestiefelte Kater" 1947
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung (Inv.-Nr.: 21784,6)
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte sie 1935 und lebte in London, Rom und Paris, wo sie zeitweise auch Werbe- und Informationsfilme drehte. Ein Höhepunkt ihrer Karriere war die Märchenverfilmung DAS TAPFERE SCHNEIDERLEIN (GB: 1955), mit der sie auf der Biennale in Venedig den Preis für den besten Kurzfilm gewann. Bis zu ihrem Tod produzierte Reiniger über 80 Filme und trug damit wesentlich zur Anerkennung des Scherenschnitts als Kunstform bei. Vom Schattentheater zum Scherenschnitt und schließlich zum Trickfilm gekommen, verlor sie jedoch nie die Liebe zum „Silhouettentheater“, wie sie es lieber nannte, und fertigte über viele Jahre hinweg Figuren dafür an. So stammt der Kater, den man hier als 3D-Objekt sehen kann, nicht aus einer Trickfilmproduktion, sondern aus dem Theaterstück Der gestiefelte Kater (um 1947).
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Bühnenansicht von „Brüderchen und Schwesterchen“, 1948
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung
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Per Photogrammetrie erstelltes 3D-Modell der Katze aus "Der gestiefelte Kater" von Lotte Reiniger (1947)
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung (Inv.-Nr.: A 9103), 3D-Modell: Jacob Franke
Der gestiefelte Kater wurde von Elsbeth Schulz (1908–2001) gespielt – mit den Figuren von Lotte Reiniger. Schulz war zunächst Erzieherin, bevor sie sich 1940 dem Puppenspiel und 1946 dem Schattenspiel zuwandte. Die Katzenfigur besteht aus einem Pappkörper, der auf beiden Seiten schwarz gefärbt ist. Die beweglichen Körperteile sind an zwei Stellen mit Drehgelenken verbunden. Ein an der Schulter befestigter Führungsstab ermöglicht die Steuerung der Vorderpfoten und des Kopfes. Ein weiterer Steuerstab wurde am hinteren Teil der Figur angebracht. Eines der Hinterbeine wurde zu einer Stütze umfunktioniert und im unteren Bereich mit einer zusätzlichen Lage Pappe verstärkt.
Es bleibt ungewiss, ob Lotte Reiniger aktiv an der Aufführung des Stücks und dem Spiel der Figuren beteiligt war, es ist jedoch eher unwahrscheinlich. Die Figur und das Bühnengerüst von Elsbeth Schulz‘ Theater sowie zahlreiche Bühnenbilder und weitere Figuren wurden 1975 von der Puppentheatersammlung erworben.
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Was sich zu Unfug erklärt, bekennt sich zur Harmlosigkeit. Vermeintlich. Denn Konsequenz solcher Selbstbestimmung ist die berühmte Narrenfreiheit, die in den 1980er Jahren auch eine Gruppe von Theaterleuten in der DDR für sich beansprucht, als sie sich „Zinnober“ nennt und beginnt, Kaspertheater für Erwachsene zu machen. Ihr Stück „Die Jäger des verlorenen Verstandes“ ist vom Publikum unschwer als Spottstück auf das DDR-Staatswesen zu lesen und seine Duldung in der Rückschau kaum zu glauben - aber wahr.
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Im Frühjahr 2020 zog eine sehr besondere und im wörtlichen Sinne bunte Truppe in das Depot der Puppentheatersammlung ein: Fischer und Bäuerinnen, Musiker und turnende Kinder, aber auch Enten, Wasserbüffel, Drachen und Feen. Sie alle gehören zum klassischen Personal des vietnamesischen Wasserpuppentheaters.

Was haben die Friedrich-Gemälde das Große Gehege (1832), das Hünengrab im Schnee (1807), die Abtei im Eichwald (1809/10), Frau vor der untergehenden Sonne (1818), Elblandschaft (1802), Nordische Landschaft/Frühling (1825) gemein? Richtig, sie alle beinhalten Motive, die Caspar David Friedrich zwischen April und Juni 1804 in einem Büchlein festgehalten hat, das heute als „Karlsruher Skizzenbuch“ geführt wird. Hier können Sie es durchblättern.
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