Die Aussagekraft von Münzen und Medaillen geht weit über Hortfunde oder die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen hinaus. Sie sind auch Zeugnisse, die Hinweise auf die Glaubensvorstellungen, Hoffnungen und Ängste von Gesellschaften enthalten. So wurden in der Antike Götter der Heilung wie Asklepios (in Rom: Aesculapius) oder Hygieia (in Rom: Salus) nicht nur in Tempeln verehrt, sondern vor allem in Zeiten, die vom Auftreten schwerer Krankheiten oder Seuchen geprägt waren, auch auf Münzen dargestellt.
Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass Münzen mit diesen Motiven als Amulette zum Schutz vor Epidemien genutzt wurden. Die begleitenden Umschriften enthalten allerdings keinen direkten Bezug auf die jeweilige Epidemie, sie bleiben allgemein der Gesundheit des Kaisers (Salus Augusti) oder dem allgemeinen Wohlergehen gewidmet. Viele Symbole, die heute noch mit Medizin oder Heilkunde verbunden werden, haben einen antiken Ursprung. Das wohl bekannteste ist der Äskulapstab, um den sich eine Schlange windet. Die Schlange war den Göttern der Heilung geweiht und wurde mit Wiedergeburt und Unsterblichkeit assoziiert, könnte aber auch als Sinnbild von Leben und Tod gedeutet werden. Nicht umsonst bedeutete das altgriechische Wort „pharmakon“ sowohl Heilmittel als auch Gift.
Während es aus dem Mittelalter keine numismatischen Zeugnisse mit direktem Bezug zum „Schwarzen Tod“ gibt, kommen in der Frühen Neuzeit europaweit Städtemedaillen auf, die auf die Pest verweisen. Anders als die antiken Münzen geben sie die „Pestjahre“ auf der Vorder- oder Rückseite an.
Sie zeigen oft Darstellungen der betroffenen Stadt und kombinieren teilweise Darstellungen des Todes mit Bildern des Neubeginns. Besonders deutlich wird dies bei einer Medaille der Hansestadt Hamburg, auf deren Vorderseite der Tod Blätter vom Lebensbaum abreißt. Die auf der Rückseite dargestellten Bienenkörbe und auslaufenden Schiffe stellen das Wiederaufleben des Handels und damit das Ende der Epidemie dar. Die Umschrift der Vorderseite, „Praestat putari quam concidi“ („Eher gelichtet als gefällt“) drückt die Hoffnung darauf aus, dass Hamburg die Pest überstanden hatte.
Während der Cholera-Epidemien des 19. Jahrhunderts gibt es ebenfalls Medaillen von Städten, die allerdings seltener den Tod in den Mittelpunkt der Darstellung rücken, sondern immer häufiger die Pflege von Kranken zeigen. Die auf den Medaillen dargestellten Szenen werden nahbarer und persönlicher, weniger auf das Schicksal einer Stadt als Ganzes bezogen und dadurch auch berührender, da sie die Verletzlichkeit des Menschen betonen.
Der Umgang mit Epidemien veränderte sich im Verlauf der Jahrhunderte. Besonders erkennbar ist dieser Wandel an den Medaillen, die ab der Frühen Neuzeit aufkommen. Die Pestmedaillen und Pesttaler dieser Epoche besitzen eine gewisse Kontinuität zu den Götterdarstellungen der Antike, nur dass an ihre Stelle die Pestheiligen Sebastian und Rochus oder biblische Szenen treten. Mit der zunehmenden Entwicklung eines staatlichen Gesundheitswesens treten religiöse Motive in den Hintergrund, bleiben aber bis heute erhalten. Die Betonung wissenschaftlicher Forschung und der Krankenpflege zeigt sich auch bei den Münzen und Medaillen, die während der Corona-Pandemie entstanden sind. Viele danken den Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens oder sind Wissenschaftler*innen gewidmet.
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