Die globale DDR - Eine transkulturelle Kunstgeschichte (1949-1990) 08. September 2022

Organisiert von Kerstin Schankweiler, Professorin für Bildwissenschaft im globalen Kontext der TU Dresden und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Lena Geuer in Kooperation mit Kathleen Reinhardt und Mathias Wagner Kurator*innen an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) sowie Gwendolin Kremer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kustodie der TU Dresden fand vom 9. –11. Juni 2022 im Albertinum die Konferenz: „Die globale DDR - eine transkulturelle Kunstgeschichte (1949–1990)“ statt. Die Veranstaltung wurde durch die freundliche Förderung der Fritz Thyssen Stiftung ermöglicht.

Die internationale und interdisziplinäre Zusammenkunft von Wissenschaftler*innen widmete sich einem bisher kaum erforschten Kapitel: den vielfältigen Verbindungen im Feld der Kunst zwischen der DDR und dem Ausland. Diese internationalen Beziehungen der DDR manifestierten sich u. a. in Künstler*innenreisen und wechselseitigen Studienaufenthalten, in Ausstellungen und in künstlerischen Darstellungen des ‚Fremden‘. Die Konferenz ermöglichte erstmals einen Einblick in die vorhandenen Forschungen im deutschsprachigen Raum und erweiterte sie um Perspektiven aus den damaligen Partnerländern.

Poster der Konferenz mit Titeln, Veranstaltern, Sponsoren und zwei Grafiken einer Faust und einer Sonne.

Das Programm der Konferenz hatte drei Schwerpunktthemen: Auswärtige Kulturpolitik und interkulturelle Begegnungen; Transkulturelle Ästhetiken des Sozialismus und Praktiken der Arbeit und Kollaboration. Um den wissenschaftlichen Austausch mit der Arbeit an konkreten, bisher kaum bekannten Kunstwerken in diesem Zusammenhang zu verbinden, wurde die Konferenz in Kooperation mit der Kustodie der TU Dresden und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) ausgerichtet. Sie fand zeitgleich mit der Prolog-Ausstellung zum Projekt „Revolutionary Romances“ im Albertinum der SKD statt und wurde von einem Workshop in der Kunstsammlung der TU Dresden begleitet. Im Zentrum der Konferenz stand der Wunsch, eine Plattform zu bieten, um bestehende kunsthistorische und gesellschaftspolitische Perspektiven über nationale Grenzen hinaus zu verhandeln.

Das Publikum wurde zu Beginn von Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und Roswitha Böhm, Prorektorin Universitätskultur der TU Dresden begrüßt. Einführende Worte ins Thema und Programm der Konferenz sprach Kerstin Schankweiler.

In der ersten Sektion unter dem Titel „Auswärtige Kulturpolitik und interkulturelle Begegnungen“ übernahm Karl-Siegbert Rehberg die Moderation. Er verwies in seiner Einführung mit einem Augenzwinkern darauf, dass der Titel der Konferenz „Die globale DDR“ wohl auch Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED gefreut hätte. Rehberg skizzierte die Bedeutung internationaler Kontakte und das Streben der DDR um internationale Anerkennung. Dabei unterstrich er die Bedeutung, die ein künstlerisches „in-Szene-Setzen“ einer sozialistischen globalen Zukunft hatte. 

Christian Saehrendt zeigte in seinem Beitrag die bildende Kunst als verbindendes Element für ein sozialistisches Weltsystem. Mit historischen Pressefotos verdeutlichte Saehrendt, wie neben einer Vernetzung auch ein „Charisma-Transfer“ von jungen Protagonisten in Kultur und Politik neu entstehender Staaten, beispielsweise des afrikanischen Kontinentes, auf betagte Politiker der DDR gelang. Im abschließenden Beitrag dieser Sektion stellte Annabel Ruckdeschel die Organisation der INTERGRAFIK als internationale Ausstellungs- und Begegnungsplattform „für Frieden, Freundschaft und antiimperialistische Solidarität“ in den 1970ern dar. Diese wichtige internationale Ausstellungsreihe zum Thema Grafik birgt sowohl auf der Ebene der Ausstellungsgeschichte als auch in der Detailsicht auf die Kunstwerke und beteiligten Künstler*innen viel Forschungspotential.

Den Vorträgen folgte eine Kurator*innen-Führung mit Kathleen Reinhardt und Mathias Wagner durch die Ausstellung "Revolutionary Romances - Prolog. Transkulturelle Kunstgeschichten in der DDR" im Albertinum, deren Hauptakt im Herbst 2023 zu sehen sein wird. An angeregte Gespräche und inhaltlichen Austausch in der Schau schloss sich das Film-Screening „Namibia Today“ und ein Künstlerinnengespräch mit Laura Horelli und Kathleen Reinhardt an. Auch die Abschlussdiskussion verdeutlichte die Reichhaltigkeit des ersten Konferenztages.

Der zweite Tag der Konferenz startete unter Moderation von Oliver Sukrow mit dem Themenkomplex Transkulturelle Ästhetik des Sozialismus. Chương-Đài Võ stellte ihre Forschungen zum Begriff der Moderne in vietnamesischer Kunstgeschichte vor und argumentierte für ihre Sicht auf den sozialistischen Realismus als eine Ausprägung der Moderne. Mit einer Betrachtung zu äthiopischen Studierenden in der DDR, Polen und der Sowjetunion nahm Przemysław Strożek das Themenfeld des internationalen Austausches im Rahmen der Bildung in den Blick.

Einen regionalen Schwerpunkt auf Südamerika legten die Vorträge von Andrea Giunta und Elena Shtromberg. Beide ermöglichten Einblicke in Kontakte zwischen der DDR und Südamerika, die sich jenseits der offiziellen Kulturpolitik bewegten. Insbesondere die Mail-Art Netzwerke tauschten sich auf künstlerischem Wege persönlich und zugleich mit einer großen Öffentlichkeit aus.

Die Vorträge des zweiten Tages wurden durch einen Depotbesuch im Kunstbesitz der Kustodie der TU Dresden bereichert. Gwendolin Kremer lenkte den Blick auf die Bildnisse internationaler Studierender aus den 1950er- und 1960er-Jahren in der universitären Kunstsammlung. Parallel ermöglichte April Eisman mit einer Kuratorinnenführung den Besuch der Ausstellung „Angela Hampel. Das künstlerische Werk“ in der Städtischen Galerie Dresden.

Bedingt durch Krankheit umfasste die letzte Sektion „Praktiken der Arbeit und Kollaboration“ am dritten Tag der Konferenz, moderiert von Kerstin Schankweiler, zum großen Bedauern aller nur zwei Vorträge. Carla Cortês und Nikolai Brandes demonstrierten in einer gemeinsamen Projektvorstellung den Einfluss der DDR-Bauakademie auf die Wohnbebauung in Mosambik und erweiterten damit das Konferenzprogramm um das Themenfeld der Architektur. In einem Onlinebeitrag von Doreen Mende wurde Dekolonialisierung als Forschungspraxis erlebbar. Die künstlerische Forschung zu einem kapverdischen Lied, welches den musikalischen Background eines Studierendentreffens Mitte der 1970er Jahre in Potsdam (DDR) bildete, wurde in der filmischen Arbeit von Sónia Vaz Borges „A Transgenerational Commentary on a Song“ verdichtet.

Die Konferenz „Die globale DDR“ ermöglichte es, sich den vielfältigen Themen internationaler Kontakte der DDR aus verschiedenen Forschungsperspektiven zu nähern und gemeinsam über Fragen und Ideen ins Gespräch zu kommen. Die Vielfalt der Inhalte zeigte nicht zuletzt die Größe dieses noch sehr wenig betretenen Forschungsfeldes. Insbesondere die zeitgenössisch deutliche Notwendigkeit grenzüberschreitender Forschung wurde bekräftigt.

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